Grab and Go: Auf die Customer Journey kommt es an

Mit der Eröffnung des ersten Grab & Go Stores “Amazon Go” in Seattle im Jahr 2016 begann die Entwicklung einer neuen Betriebsform im Lebensmitteleinzelhandel. In Deutschland begann die Entwicklung der Grab & Go Stores mit der Eröffnung der shop.box auf dem Bildungscampus in Heilbronn im März 2021. Innerhalb der letzten drei Jahre kamen diverse Teststores unterschiedlicher Betreiber dazu, sodass bis März 2024 insgesamt 14 Grab & Go Stores gezählt werden können.

Vorreiter waren im Jahr 2021 neben der shop.box die Rewe mit der Eröffnung ihres ersten Pick & Go Marktes am Kölner Neumarkt in Zusammenarbeit mit Trigo im November 2021 und im Dezember 2021 Netto mit seinem ersten Pick & Go Store in München. Auch Netto kooperiert für seinen Store mit dem technologischen Anbieter Trigo. Über ein halbes Jahr blieben diese drei Stores die einzigen in Deutschland, bevor das Start-up Autonomo seinen ersten eigenen Demo-Store im August 2022 in Hamburg eröffnete. Im November und Dezember 2022, sowie März 2023 folgten drei weitere Rewe Pick & Go Stores in Berlin, München und Köln – alle ebenfalls in Kooperation mit Trigo. Im Februar 2024 wurde die erste Rewe Pick & Go Filiale schließlich laut Rewe aufgrund des Standortes und der geringen Verkaufsfläche geschlossen.

Im Juni 2023 eröffnete der DB Service Store 24/7 mit Grab & Go-Technologie im Berliner Ostbahnhof mit dem Technologie-Anbieter Aifi, nachdem ab Sommer 2021 ein DB Service Store 24/7 mit der etwas einfacheren Self-Checkout-Technologie im Bahnhof Ahrensburg erprobt wurde.

Der 24/7-Store Kübler Go in Stuttgart, betrieben von der Metzgerei Kübler, wurde zunächst als Self-Checkout Store betrieben, rüstete im Juli 2023 jedoch auf die Grab & Go-Technologie von Walkout Technologies um. Im November 2023 wurde der Store aber wieder auf die zuvor verwendete Self-Checkout-Technologie umgestellt. Auch der Lebensmittelhändler Tegut, der mit seinem Konzept Teo bisher nur Erfahrungen mit Self-Checkout 24/7-Stores gemacht hat (bis dahin >30 Stores), begann im November 2023 seinen ersten Test mit der Grab & Go-Technologie von Autonomo in einem Teo in Darmstadt.

Im Januar dieses Jahres eröffnete auch Netto Markendiscount einen zweiten Pick & Go Store in Regensburg. Auch dieser Store entstand in Kooperation mit Trigo und war der erste Grab & Go-Store in Deutschland, der die Customer Journey zu einem Eingang ohne Eingangskontrolle weiterentwickelte.

Anfang Februar 2024 eröffnete die Tankstellenkette Q1 seinen ersten Grab & Go-Store mit der Technologie von Autonomo in Osnabrück. Auch der polnische Einzelhändler Zabka, der in Polen bereits über 50 Grab & Go Stores betreibt, hat in den Jahren 2022 und 2023 bereits drei Teststores im Teslawerk in Brandenburg eröffnet. Zudem wurde bereits die Eröffnung einiger weiterer Grab & Go Stores für das Jahr 2024 angekündigt: Dazu gehören zwei weitere Rewe Pick & Go Stores mit Trigo, ein Store von Lekkerland in Zusammenarbeit mit Aifi sowie ein Grab & Go Store von Edeka in Zusammenarbeit mit Autonomo.

Ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg dieser Grab & Go-Stores ist eine möglichst reibungslose Customer Journey („frictionless“). Zu Beginn der Entwicklung wurde dies durch die Verwendung einer App ermöglicht, bei der sich die Kunden vor dem Einkauf einmalig registrieren und ein Zahlungsmittel hinterlegen mussten. Um die Stores zu betreten, mussten die Kunden dann am Eingang einen von der App generierten QR-Code scannen, damit die verwendete Künstliche Intelligenz den Einkauf einem Kunden zuordnen konnte. Im Store konnten Kunden anschließend die gewünschte Ware aus dem Regal entnehmen und den Store einfach verlassen. Zahlung und Rechnungsstellung erfolgte nach dem Verlassen des Stores automatisch über die App.

Die Notwendigkeit einer Vorab-Registrierung per App empfanden aber offenbar viele Kunden als störend. Um die Zugangshürden so gering wir möglich zu gestalten, wurde die Customer Journey in Grab & Go-Stores weiterentwickelt und Alternativen zu der App-Lösung implementiert. Mittlerweile lassen sich vier unterschiedliche Varianten des Grab & Go Einkaufs unterscheiden:

1. Rewe Pick & Go (in den ersten Stores) mit Trigo: Der Eintritt ist nur per App möglich. Die Zahlung wird nach Verlassen des Stores über die App ausgelöst, in der auch die Rechnung zeitverzögert einsehbar ist. Die Stores sind nicht 24/7 geöffnet, da zu den Öffnungszeiten immer Personal anwesend ist.

2. Netto Pick & Go (Regensburg) mit Trigo: Der Eintritt ist ohne Zugangskontrolle möglich. Die Einkäufe jedes Kunden werden anonym erfasst und am Checkout-Terminal automatisch angezeigt, sobald der Kunde vor den Terminal tritt. So muss der Kunde die Artikel nicht einzeln einscannen, kann seinen Warenkorb aber vor Bezahlung einsehen und Korrekturen vornehmen. Bezahlung und Rechnungsdruck finden am Terminal im Store statt. Da immer Personal anwesend ist, ist der Store nicht 24/7 geöffnet. Neben dem Grab & Go werden auch klassisches SCO und Bedienkassen als Checkout-Optionen angeboten. Man kann vermuten, dass die REWE in den drei angekündigten Stores in Düsseldorf und Hamburg diese Customer Journey auch umsetzen wird.

3. Aldi Süd (London) mit AIFI: Auch Aifi hatte zunächst auf die App-Lösung gesetzt, ermöglicht nun aber auch alternativ dazu den Zugang zum Store mit Kreditkarte (Beispiel) im Aldi Süd Store in London. Bezahlung und Rechnungsstellung erfolgen erst nach Verlassen des Stores mit einer Zeitverzögerung. Kunden, die den Store mit der App betreten haben, können ihre Rechnung in dieser einsehen. Kunden, die den Store mit Kreditkarte betreten haben, können die Rechnungsnummer des Einkaufs ihrem Kontoauszug entnehmen und sich mit dieser auf der Store-Website ihre Rechnung anzeigen lassen.

4. Q1 und Teo (Teststore an der TU Darmstadt) mit Autonomo: Die beiden Teststores in Kooperation mit Autonomo ermöglichen den Zugang mit App oder EC- und Kreditkarte. Da die Stores unbemannt betrieben werden, sind sie 24/7 zugänglich. Die Bezahlung und Rechungsstellung erfolgen zeitverzögert nach Verlassen des Stores. Kunden, die die Stores mit ihrer App betreten haben, können ihre Rechnung in dieser einsehen. Kunden, die die Stores mit EC- oder Kreditkarte betreten haben, können beim Verlassen des Stores einen QR-Code am Ausgang scannen, der sie auf die Store-Website leitet, auf der ihr Kassenbon zeitverzögert angezeigt wird.
Die Weiterentwicklungen bei der Grab & Go Customer Journey versuchen v.a. die Zutrittshürden aus Sicht des Kunden zu reduzieren. Dies hat jedoch Konsequenzen für die Einfachheit des Checkout-Prozesses. Allerdings erhält der Kunde bei einer Customer Journey wie der von Netto Pick & Go die Kontrolle über den erfassten Warenkorb zurück.

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass sich Grab & Go-Stores in einigen Ländern im Gegensatz zu Deutschland bereits im Rollout befinden. In Polen betreibt der Einzelhändler Zabka über 50 Stores, in Frankreich ist Boxy mit über 30 Stores vertreten und im Vereinigten Königreich gibt es eine große Anzahl an Teststores, unter denen auch große Supermarktketten wie Tesco, Morrisons und Sainsbury die Technologie testen.

 

Ein Beitrag von Julia Schumacher und Prof.Dr. Stephan Rüschen von der DHBW Heilbronn